“Das Segel ist die Liebe”

(Vor-)Weihnachtliche Gedanken zu:
„Es kommt ein Schiff geladen“

Dieses Schiff transportiert kein Gold und keine Gewürze. Gleichwohl ist seine Fracht so kostbar, dass ein geistlicher Schriftsteller des 14. Jahrhunderts, der Mystiker Johannes Tauler, die Fahrt in faszinierenden Versen schildert. Sie fanden Eingang in unsere Gesangbücher, wir kennen sie als „Es kommt ein Schiff geladen“ – eines der tiefgründigsten Lieder des Advents.

Wie viele Strophen dieses kleine Meisterwerk ursprünglich hatte – vermutlich vier, zu denen im Laufe der Zeit noch zwei weitere dazugekommen sind –, das muss uns hier nicht beschäftigen. Was lohnt, ist der Blick auf die geistliche Botschaft, die Advent und Weihnachten aufs Schönste verbindet.

Es kommt ein Schiff geladen
bis an sein höchsten Bord,
Trägt Gottes Sohn voll Gnaden
des Vaters ewigs Wort.

Der Mystiker spielt mit offenen Karten und kommt sogleich zur Sache: Die Fracht ist das „ewige Wort“, das so das christliche Bekenntnis, von Gott ausgeht und sich in Jesus Christus verkörpert. Wie kühn, wie hoffnungsstark! Dies wird auch im Johannesevangelium auf knappstem Raum ausgedrückt: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (1,14). Es ist eine Kurzformel des Weihnachtsfestes.

Das Schiff geht still im Triebe,
es trägt ein teure Last;
Das Segel ist die Liebe
der heilig Geist der Mast.

Hier entfaltet Johannes Tauler seine poetische Theologie. Welch ein wunderbares Wort (für mich die schönste Stelle des Liedes!): Das Segel ist die Liebe / der heilig Geist der Mast. Man mag sich an dieser Stelle fragen, welches „Segel“, welche Kraft ansonsten die Welt bewegt. Auch im Jahr 2022 nach Christi Geburt, das langsam zu Ende geht, könnten wir ganz andere Kräfte benennen: Kräfte, die zerstören wollen, die hasserfüllt sind und sich große Mühe geben, andere Menschen herabzuwürdigen. Ja, es gibt diese, und das nicht zu knapp. Aber sicherlich nicht nur. Werden wir, auf 2022 rückblickend, an liebevolle Momente zurückdenken können, an hilfsbereite, anregende Menschen, an den einen und anderen „barmherzigen Samariter“? Und das in der kleinen wie in der großen Welt? Lassen wir uns bei einem Resümee den Blick nicht vernebeln!

Der Anker haft‘ auf Erden,
da ist ein Schiff am Land.
Das Wort will Fleisch uns werden,
der Sohn ist uns gesandt.

Auch hier, wie in den übrigen Strophen, stellt uns der Dichter in den ersten beiden Zeilen ein Bild vor, die folgenden Zeilen bringen eine theologische Deutung. Auch ein Schiff – von alters her ein Sinnbild für die Begegnung zweier Welten, hier von Gott und Mensch – kann nicht nur unterwegs sein. Es muss auch ankommen, den Anker werfen. Und hier ist der Bezug auf den erwähnten Vers des Johannesevangeliums ganz direkt. Über den „Willen“, der in der dritten Zeile bekundet wird, stolpere ich jedes Mal: Das Wort will Fleisch uns werden. Geht es hier um unseren Part, um unsere Rolle? Will Gottes ewiges Wort sich nicht nur „so“, ohne mein Mittun in der Welt verkörpern, sondern auch in mir? Welch‘ eine Frage – an Weihnachten zu bedenken!

Zu Betlehem geboren
im Stall ein Kindelein,
Gibt sich für uns verloren:
gelobet muss es sein.

An dieser Stelle verbinden sich die adventliche Erwartung und das weihnachtliche Glück. Freilich ist es kein verkünsteltes Glück. Ein Stall ist ja nicht gerade ein Wunschort für eine Geburt. Und wenn sich das Kind für uns „verloren“ gibt, so verweist das sicherlich auf den Leidensweg, den Jesus gehen musste. Weihnachten ist kein harmloses Fest, ein Fest vielmehr, das alle Tonarten des menschlichen Lebens umfasst. Welch ein Glück!

Wer sich den gesungenen Strophen auf eine wunderbare Weise nähern möchte, dem empfehle ich das YouTube-Video des Jazz Chors der Uni Bonn:

https://www.youtube.com/watch?v=LUdUqRHHRTw

Euch allen ein besinnliches und gesegnetes Fest!
Christian Heidrich

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