Warum man Zeugnisse nicht so ernst nehmen sollte

Warum man Zeugnisse nicht so ernst nehmen sollt
Nun ist es wieder so weit, das Halbjahr neigt sich dem Ende zu und genauso wie die Faschings­ferien, ist auch die Zeugnis­ausgabe damit verbunden. Jedes Jahr aufs Neue sind zahlreiche Schüler unzufrieden mit den Noten, die in ihrem Zeugnis stehen, haben das Gefühl, dass sie so viel mehr geleistet haben, als es jetzt auf dem Papier niedergeschrieben steht und fragen sich, ob sie einfach nicht gut genug sind. In diesem Artikel möchte ich darüber schreiben, warum ich denke, dass dein Zeugnis nicht unbedingt deine Leistung in diesem Halbjahr widerspiegelt. Zu Beginn muss ich allerdings erwähnen, dass es sich bei diesem Text um meine persönliche Meinung handelt, ich möchte weder irgend­jemandem irgendetwas vorwerfen noch möchte ich, dass sich jemand persönlich angegriffen fühlt. Es handelt sich lediglich um einen Denkanstoß für die Mitschüler, denen es schwerfällt, mit sich und ihren Noten zufrieden zu sein.

Im Allgemeinen will ich mich hier auf die drei Gütekriterien Objektivität, Reliabilität und Validität beziehen, durch welche man die Qualität einer Messung bewerten kann. In diesem Fall wird gemessen, welche Leistung ein Schüler im Halbjahr erbringt.

Beginnen wir mit der Objektivität. Etwas ist objektiv, wenn es unabhängig von einer Person gemessen oder bewertet wird. Vor allem subjektive Einflüsse können eine Rolle spielen. Lehrer sind auch nur Menschen, sie haben manchen Schülern gegenüber eine gewisse Sympathie oder vielleicht sogar eine gewisse Antipathie. An sich ist das etwas ganz Natürliches, aber es kann sich durchaus auf Noten auswirken. Außerdem hat jeder Lehrer verschiedene Meinungen, was eine gute mündliche Leistung betrifft. Während du dich bei dem einen Lehrer nur häufig melden musst, musst du dich beim anderen kaum am Unterricht beteiligen, solange deine Beiträge herausragend sind und manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass manche Lehrer am Ende des Schuljahres immer noch nicht wissen, wer du bist und deine mündliche Note einfach an deine schriftliche anpassen. Auch sind die Arbeiten bei jedem Lehrer unterschiedlich schwer und es gibt Unterschiede in den Erwartungen an die Schüler. Nach diesem System ist es also kaum möglich eine objektive Messung der Leistung eines Schülers zu ermitteln. Eine Möglichkeit auf mehr Objektivität wäre es, den Spielraum der Lehrer vor allem bei der Vergabe der mündlichen Note massiv einzuschränken. Wenn es klare Kriterien geben würde, nach denen Lehrer mündlich benoten müssten und wenn sich die Lehrer auch wirklich alle an diese Kriterien halten würden und nicht jeder seine eigenen Prioritäten setzen dürfte, dann würdest du vielleicht auch keine schlechteren mündlichen Noten mit dem Lehrerwechsel bekommen, obwohl sich deine Leistung an sich nicht geändert hat.

Nun zur Reliabilität unserer Schulnoten. Je öfter du etwas misst, desto eher sind sie reliabel, also desto genauer ist dein Durchschnittsergebnis am Ende. Denn bei jeder Messung können verschiedene äußere Einflüsse und Zufälle miteinwirken, welche einen Messversuch schnell verfälschen können. Beziehen wir das mal auf Schulnoten. Laut den Gütekriterien sind Hauptfächer „genauer gemessen“ als Nebenfächer denn wir schreiben mehr Arbeiten und haben somit mehr Noten, also mehr Messwerte. Aber wie reliabel sind Hauptfächernoten denn? Mal angenommen, wir schreiben zwei Arbeiten und ein paar Tests pro Halbjahr, dazu kommen dann noch die mündlichen Noten. Kann man wirklich davon ausgehen, dass diese wenigen Noten reichen, um einen zuverlässigen Mittelwert zu erhalten? Außerdem zählen Arbeitsnoten in Hauptfächern im Vergleich zu den mündlichen Noten doppelt, wenn jetzt also zufällig aus verschiedenen Gründen, der Tag, an dem du die Arbeit schreibst, schlecht verläuft und du eine Note schreibst, die deiner sonstigen Leistung nicht entspricht, weil du dich einfach nicht konzentrieren konntest, zieht das deinen Notendurchschnitt oft total nach unten. Und was, wenn dir das gleich zwei Mal passiert? Du hast ja nicht einmal eine große Chance, dich durch deine mündliche Note zu retten, die normalerweise einigermaßen reliabel ist, weil die schriftliche Note eben doppelt so viel zählt. Und in Nebenfächern werden meistens nur zwei Arbeiten geschrieben, wenn es dir also mal zufällig am Arbeitstag eines Nebenfaches nicht so gut gehen sollte, hast du sowieso kaum noch eine Möglichkeit, deine bestmögliche Leistung durch andere schriftliche Arbeiten in irgendeiner Weise auszugleichen. Die Reliabilität wäre höher, wenn mehr Arbeiten im Schuljahr geschrieben würden, und diese von der Wertung her mit den mündlichen Noten in jedem Fach gleichgesetzt würden. Auch wenn sich das tatsächlich zuerst nach mehr Stress für die Schüler anhört, bin ich persönlich vom Gegenteil überzeugt, denn wenn du einmal eine Arbeit verhaust, hast du es viel leichter, deine Note wieder richtigzustellen.

Als Letztes schauen wir uns noch die Validität unserer Zeugnisse an. Valide bedeutet gültig. Die Validität ist also die Gültigkeit eines Messwerts. Wenn etwas valide ist, hast du auch wirklich genau das gemessen, was du messen wolltest, ansonsten kann das Messergebnis nicht akzeptiert werden, wäre ja auch total sinnlos, eine Frage mit etwas zu beantworten, was die Frage nicht beantwortet. In der Schule soll unsere Leistung gemessen werden. Worüber man sich hier Gedanken machen sollte, wenn man unzufrieden mit seinem Zeugnis ist, ist die Frage: Wie definiere ich Leistung und wie wird Leistung vom Schulsystem definiert? Nehmen wir mal den Sportunterricht als konkretes Beispiel. Wenn du seit du sechs Jahre alt bist dreimal die Woche Fußball spielst, bist du hoffentlich besser als jemand, der das erste Mal in seinem Leben wirklich versucht, einen Ball gerade zu schießen. Warum sollte man euch gleich bewerten, wenn du so viel mehr Erfahrung hast als dein Mitschüler? Ist es denn wirklich fair, zu benoten, wie gut du darin bist, einen Ball ordentlich zwischen ein paar Hütchen hin und her zu dribbeln, weil du es schon seit Jahren trainierst und präzisierst, während deine Klassenkameraden erst vor zwei Wochen gelernt haben, was Dribbeln überhaupt bedeutet? Und dazu wird man auch noch in den direkten Vergleich gestellt. Mir wurde schon oft gesagt, dass wir unsere Sportnote erst zu hören bekommen, wenn alle Schüler bewertet worden sind, damit man unsere „Leistung“ mit den anderen noch einmal abgleichen kann. Heißt das nicht, dass ich, wenn ich der sportlichste Schüler in einer durchschnittlich eher unsportlichen Klasse bin, eine gute Note erhalte, aber wenn ich exakt die gleiche Leistung in einer durchschnittlich eher sportlichen Klasse erbringe, in der ich der unsportlichste Schüler bin, eine schlechtere Note erhalte? Das hört sich aber nicht wirklich nach einer validen Messung an. Sollte meine Leistung sich nicht besser nur auf mich beziehen? Wäre es nicht eher valide, wenn man anstatt mich mit anderen zu vergleichen, meine Anfangsleistung mit meiner Endleistung vergleicht, also bewertet, inwieweit ich mich verbessert habe? Das kann jeder für sich selbst entscheiden, aber für mich klingt die eine Lösung um einiges logischer als die andere.

Zum Schluss möchte ich noch ein kleines Fazit ziehen. Meiner Meinung nach wird im Schulsystem keines der drei Gütekriterien beachtet, daran können hauptsächlich weder die Lehrer noch die Schulleitung unserer Schule etwas ändern, das bedeutet aber nicht, dass man sich nicht darüber äußern darf. Außerdem finde ich, dass die Verbesserungen, Bemühungen und allgemein die kleinen Erfolge jedes individuellen Schülers viel zu wenig in Betracht gezogen werden. Als eine wissenschaftliche Messung würde das Zeugnis also definitiv durchfallen. Ich hoffe du kannst dir deine eigenen Schlüsse aus diesem Artikel ziehen und vielleicht hilft er dir sogar dabei, dein Zeugnis nicht ganz so ernst zu nehmen, wie du es möglicherweise tust.

Meliyah

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