Gelebte Demokratie

Alle Schüler dieses Gymnasiums sollten die Wahl des Schülersprechers und der Verbindungslehrer am 12. Oktober mitbekommen haben. Ich überlegte, ob diese wohl dazu diente, uns das Konzept Demokratie näher zu bringen. Ich nehme vorweg: Das Fazit, zu dem ich kam, war, dass, falls dies das Ziel war, man scheiterte.

Worauf ich mich beziehe, ist das Einsammeln der Stimmzettel. Dies erfolgte unangekündigt in der Stunde unmittelbar nach der Vorstellung der Kandidaten und der Ausgabe der Stimmzettel. Für die Hälfte meiner Klasse war jedoch die Stunde zuvor die letzte Unterrichtsstunde des Tages gewesen; somit waren einige Schüler nicht mehr anwesend. Die Stimmzettel wurden von einem Kandidaten, der bereits im vorherigen Jahr ein Verbindungslehrer war, und der auch die Vorstellung der Kandidaten moderiert hatte, eingesammelt. Dieser meinte, als er darauf aufmerksam gemacht wurde, die wenigen Stimmen machten keinen Unterschied, und führte weiterhin an, bei einer Bundestagswahl wählten auch nicht alle.

Diese Aussagen sind nicht nur undemokratisch, sondern vermitteln auch den Anschein, der Zweck einer Wahl wäre nicht verstanden worden. Um auf die Äußerungen einzugehen: In der Tat beträgt bei einer Bundestagswahl die Wahlbeteiligung üblicherweise nicht 100 Prozent, jedoch wird jedem Wahlberechtigten die Möglichkeit gegeben, seine Stimme einzureichen, und wer nicht wählt, hat sich aus freien Stücken dazu entschieden, das zu unterlassen; ausgenommen die Bemerkung war eine Anspielung auf die letzte Wahl in Berlin, bei der einigen Bürgern das Abgeben ihrer Stimme erschwert wurde. Der Unterschied wäre hier, dass die Wahlleiterin in Berlin zurückgetreten ist.

Ich finde es auch erschreckend, dass uns in einer Bildungseinrichtung vermittelt wird, unsere einzelnen Stimmen seien ohnehin wertlos. Es ist ein Fakt, dass mit dem Steigen der Menge an eingereichten Stimmen der Anteil einer einzelnen Stimme am Endergebnis sinkt; jedoch ist, abgesehen davon, dass das Ziel einer Wahl nicht ist, dass einzelne Personen mit ihren Stimmen ein sehr großes Ausmaß haben, sondern dass eine Lösung, mit der die Mehrheit zufrieden ist, ermittelt wird, es durchaus eine Verfälschung der Wahl, wenige Stimmen nicht zu werten, da diese Stimmen nicht im Gesamtmeinungsbild erscheinen. Je nach Knappheit des Wahlergebnisses könnte tatsächlich sogar eine einzelne Stimme ausschlaggebend sein.

Zwar wurde der Fehler dadurch behoben, dass unser Klassensprecher am nächsten Tag die restlichen Klassenkameraden wählen ließ, um diese Stimmen noch ins Sekretariat zu bringen, jedoch ist mein Kritikpunkt, dass besagten Lehrers Aussagen der politischen Bildung der Schüler entgegenwirken. So ignorierte der Lehrer leichtfertig den Wahlrechtsgrundsatz „allgemein“. Dabei sollte gerade ein Verbindungslehrer Interesse an der Meinung aller Schüler haben.

Stellungnahme der SMV zum Artikel „Gelebte Demokratie“

Zunächst möchten wir uns bei der Schülerin aus der 11. Klasse für die konstruktive Kritik in ihrem Artikel „Gelebte Demokratie“ bedanken. Nur so können wir uns verbessern und es beim nächsten Mal ändern. Allerdings hätten wir einen direkten persönlichen Austausch schöner gefunden.

Gerne möchten wir auf einige Aspekte eingehen und diese aus unserer Sicht schildern, um hier mehr Transparenz für unsere Vorgehensweise zu schaffen. Die Verfasserin des Artikels schreibt, dass das Einsammeln der Stimmzettel unangekündigt stattfand. Das entspricht nicht der Tatsache. Im Anschluss an die Vorstellungen der Schülersprecher- und Verbindungslehrerkandidaten wurde das Wahlprozedere genau beschrieben. Dabei wurde den SchülerInnen mitgeteilt, dass sie in der Folgestunde, nach der Vorstellung im Unterricht, wählen dürfen und dass die Zettel auch in dieser Stunde eingesammelt werden müssen, da wir nicht wie bei z.B. Bundestagswahlen Wählerlisten haben, auf denen wir die Schülernamen abhaken. Das wäre bei knapp 1500 SchülerInnen in 45 Minuten unmöglich. Nur auf diese Weise konnten wir kontrollieren, dass jeder/ jede SchülerIn auch nur einen Stimmzettel abgibt.

Des Weiteren berichtet die Schülerin, dass einige ihrer Mitschüler nicht die Chance erhalten hätten, sich an der Wahl zu beteiligen, weil sie nach der 5. Stunde Unterrichtsschluss hatten. Alle SchülerInnen des LGÖs wurden weit im Voraus über die Vorstellung und die Wahl der KandidatInnen informiert. Dies erfolgte per Durchsage, in WebUntis und in den sozialen Medien. Jede Klassenstufe wusste also, wann die Vorstellung und die Wahl sein würden. Jeder/Jede SchülerIn hätte also die Möglichkeit gehabt, an der Wahl teilzunehmen. Die MitschülerInnen der Autorin hätten also am Anfang der 6. Stunde an der Wahl teilnehmen können, wenn es ihnen wichtig genug gewesen wäre.

Natürlich ist uns jede Stimme sehr wichtig und oft kann eine einzelne Stimme den Unterschied machen. Daher haben wir uns über eine Wahlbeteiligung von knapp 85% riesig gefreut. Im Vorjahr hatten wir lediglich eine Beteiligung von knapp 35%. Das lag unter anderem daran, dass wir ein anderes Wahlverfahren auf die Coronazeiten angepasst, verwenden mussten. Insofern sind wir mit dem diesjährigen Wahlverfahren sehr zufrieden, weil jede Schülerin und jeder Schüler ihre/seine Stimme abgeben konnte. Und das nennen wir gelebte Demokratie.

Gerne möchte die SMV die junge Verfasserin zu einem kritischen Austausch einladen und vielleicht kann sie uns ja im nächsten Jahr bei der Wahl der Schülersprecher behilflich sein.

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