Hinweis:
Der folgende gedankliche Impuls wurde am letzten Schultag im Leibniz Gymnasium Östringen vom Religionslehrer Dr. Christian Heidrich gehalten.
Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Kolleginnen und Kollegen,
„Ein Jahr zum Vergessen“ – so der Titel eines Buches, das ich in einer Buchhandlung erblicke. Geschrieben hat es ein „Erziehungswissenschaftler“, und natürlich geht es um die Corona-Pandemie, um das Bildungssystem, um die Lernleistung von wie es heißt „Millionen Schülerinnen und Schülern“, die unter den Auswirkungen der Krise eingebrochen ist. Der Autor macht allerlei Gegenvorschläge, möchte die „Bildungskatastrophe“ noch abwenden.
Das Buch habe ich gleich wieder auf den Stapel zurückgelegt – und das nicht zuletzt wegen des Titels, dem ich ganz und gar nicht zustimmen mag. „Ein Jahr zum Vergessen?“ Keinesfalls!
„Ein Jahr zum Erinnern“ vielmehr! Ein ungewöhnliches, ein mühseliges Jahr, in dem wir eine Menge gelernt haben, nicht zuletzt über uns selbst.
Gelernt zum Beispiel, was es mit dem „digitalen Lernen“ auf sich hat, mit längeren und kürzeren Konferenzen, mit Homeschooling und mit den Freuden, Tricks und Tücken von „Moodle“. Gelernt haben wir – Lehrer wie Schüler –, dass „Lernen“ mehr ist als das Starren auf einen Bildschirm und das Ausfüllen von Arbeitsblättern. Dass zum Lernen eben auch ein Klassensaal gehört, die Mitschülerinnen und die Kollegen, das Schwätzchen im Gang und in der Pause, das sich Zuwerfen von genervten oder auch bewundernden Blicken.
Kurz: Wir haben erfahren, dass „der ganze Mensch“ lernt, nicht nur sein Kopf; dass zum Lernen auch die Gemeinschaft gehört, die man sehen und spüren kann – eben nicht nur per Kamera und durch eine so noch so exzellente Internetverbindung.
Das alles ist wohl selbstverständlich – aber manchmal müssen die Selbstverständlichkeiten eine Zeitlang entbehrt werden, damit wir sie wieder neu entdecken.
Ein Jahr also „zum Erinnern“, so mein Vorschlag – was ja nicht heißt, dass, wie man so schön sagt, „alles gut“ ist. Nein, es ist nicht alles gut. Tatsächlich haben nicht alle den Belastungen dieses Jahres standgehalten, haben sich Lernlücken ergeben, haben nicht wenige gemerkt, dass die digitalen Freiheiten auch bestanden und klug gestaltet werden müssen. Ein Lernprozess – für uns alle, im LGÖ und anderswo.
Dennoch möchte ich bei meiner Titelumschreibung bleiben: „Ein Jahr zum Erinnern!“ Ein Jahr, das im Kalender unseres Lebens einen besonderen Platz behalten wird. Mit Ausrufezeichen, mit Fragezeichen, mit Smileys und „Frowneys“. Mit Begeisterung und Stirnrunzeln, wenn man so will.
Und ja, „Ein Schuljahr zum Erinnern und Wertschätzen“ ist es auch, weil es eben unser Schuljahr 2020/21 war; ein anderes hatten wir nicht. Bleiben wir also heiter – lieben wir den Augenblick.